Coaching oder Kult? Zwischen Manipulation und Geldmacherei

veröffentlicht am 29.07.2025

Online-Coachings im Visier: Sektenbericht 2024 warnt vor ideologischer Einflussnahme im Netz

Coaches verbreiten in sozialen Netzwerken und über eigene Plattformen nicht nur fragwürdige Erfolgsrezepte für schnelles Geld, sondern auch ideologische Inhalte mit teils gefährlichem Einfluss auf ihre Zielgruppen. Der aktuelle Bericht der Bundesstelle für Sektenfragen widmet sich diesem Phänomen.

Die im Bundeskanzleramt angesiedelte Bundesstelle für Sektenfragen verzeichnete im Jahr 2024 fast 2.000 Anfragen. Zum breiten Aufgabenspektrum der Bundesstelle zählen neben Informations- und Beratungstätigkeiten auch Öffentlichkeitsarbeit und Weiterbildungsangebote. Die Themen, mit denen sich Ratsuchende an die Stelle wenden, sind vielfältig: Sie reichen von alternativen religiösen Bewegungen über esoterische Angebote und Lebenshilfekonzepte bis hin zu Wunderheilung, fundamentalistischen Strömungen, Guru-Bewegungen oder auch Verschwörungstheorien.

Im Zentrum steht die Frage, ob und inwieweit von bestimmten Gruppen oder Praktiken eine Gefährdung ausgehen kann. In den meisten Fällen wenden sich Menschen an die Bundesstelle, wenn sie im privaten oder beruflichen Umfeld beobachten, dass sich Angehörige, Freund:innen oder Kolleg:innen durch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe auffällig verändern, oder wenn eine Gemeinschaft besonders missionarisch und vereinnahmend auftritt.

Wolf im Schafspelz

Besonders brisant ist laut Bericht die zunehmende Normalisierung antifeministischer und queerfeindlicher Narrative, die auf social media unter dem Deckmantel „Selbstoptimierung“ und „Lebensberatung" verbreitet werden. Formate, die sich ursprünglich als Hilfe zur Persönlichkeitsentwicklung präsentieren, dienen in diesen Fällen als Vehikel für frauenfeindliche Weltbilder oder rechte Ideologiefragmente.

Exemplarisch nennt der Bericht den umstrittenen Influencer Andrew Tate, der international durch seine radikalen Aussagen zu Geschlechterrollen, Gewalt und Autorität bekannt wurde. Auch österreichische Persönlichkeiten wie Markus Streinz werden kritisch beleuchtet – insbesondere wegen ihrer polarisierenden Rhetorik und manipulativen Coaching-Strategien.

Abzocke mit System: Der wahre Preis der Selbstoptimierung

Ein zentrales Motiv vieler Online-Coaching-Angebote sei laut dem Bericht die systematische Monetarisierung psychologischer Unsicherheiten. In einer Atmosphäre aus Halbwissen, pseudowissenschaftlichen Behauptungen und gruppendynamischem Druck werden nicht nur teure und rechtlich fragwürdige Online-Seminare verkauft – oft geht es auch um den Aufbau langfristiger Abhängigkeiten.

Die Autor:innen des Berichts sprechen dabei von einem „Geschäftsmodell Verschwörungstheorien“, das gezielt mit Angst, Misstrauen und Ausgrenzung arbeitet, um Kunden emotional zu binden und sie zugleich für ideologische oder kommerzielle Angebote empfänglich zu machen.

Oft werden betroffene Personen zum Abschluss langfristiger kostspieliger Verträge gedrängt und deren Kündigung erheblich erschwert. Da sich solche Verträge häufig im rechtlichen Graubereich befinden, versuchen hier Konsumentenschutzorganisationen betroffene Personen zu unterstützen.

Zwischen Coaching und Radikalisierung: Die Rolle sozialer Medien

Besonders problematisch: Die Algorithmen sozialer Netzwerke verstärken häufig die Sichtbarkeit extremer Inhalte. So landen vor allem junge Männer, die auf der Suche nach Orientierung, Erfolg oder Selbstwert sind, schnell in einem digitalen Ökosystem, das toxische Männlichkeitsbilder, autoritäre Denkmuster und Hass auf Andersdenkende propagiert.

Die Bundesstelle fordert daher eine intensivere Beobachtung der Szene sowie eine stärkere gesellschaftliche Sensibilisierung. „Nicht jedes Coaching ist problematisch“, heißt es im Bericht „aber es braucht klare Kriterien, um zwischen hilfreicher Beratung und gefährlicher Manipulation unterscheiden zu können.

Klare Qualitätsstandards gefordert

Im Kontext dieser Entwicklungen spricht sich die Bundesstelle für verbindliche Qualitätsstandards im Coaching-Bereich aus – vor allem bei digital angebotenen Programmen. Eine bessere Transparenz über Inhalte, Qualifikationen und Zielsetzung sei entscheidend, um Konsument:innen zu schützen.

Auch Eltern, Schulen und Jugendeinrichtungen werden aufgefordert, sich aktiv mit der Thematik auseinanderzusetzen. Oft seien es Jugendliche oder junge Erwachsene, die besonders anfällig für einseitige Heilsversprechen und rigide Weltbilder seien – vor allem, wenn sie sich in Krisen oder Umbruchsphasen befinden. 

Sie sind betroffen? - Weitere Informationen und Hilfestellung

Neben der Bundesstelle für Sektenfragen, die unmittelbar Beratung für Betroffene anbietet, können Ihnen auch die Internet Ombudsstelle, das Europäische Verbraucherzentrum Österreich und der Verein für Konsumenteninformation Hilfe bieten.  


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